Der Medienservice Ochaka hat mit Tim Osten, dem Betreiber von aufgeMUCkt Watch, ein Interview zum kommenden Bürgerentscheid in München geführt. Das Interview führte Dag Burns.
Im ersten Teil wird es um die Ziele des Bürgerentscheides gehen.
Wer ist Tim Osten?
Tim, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mit uns ein Interview zu führen.
Wir müssen zunächst eine Frage klären, zu der es viele Fragende gibt: Du bist Betreiber einer Website, die sich für den Bau der 3. Start- und Landebahn am Münchner Flughafen einsetzt. Wer ist Tim Osten?
Ich bin ein mündiger Bürger, der sich durch die sogenannten Dagegen-Bürgerinitiativen wie aufgeMUCkt oder „München gegen die 3. Startbahn“ nicht repräsentiert sieht. Beide Bündnisse nehmen für sich in Anspruch, ohne Legitimation meine und die Interessen viele anderer Bürger zu vertreten. Ich, der im Freisinger Land wohnt, bin von der 3. Start- und Landebahn mehr betroffen als die Aktivisten des Bündnisses, schaffe eine Gegenöffentlichkeit. Diese Berufsaktivisten argumentieren rein ideologisch, bieten jedoch keine Alternativen an.
So haben die gleichen Aktivisten – ich nenne sie mal Berufsaktvisten – gegen den Bau des Transrapids und gegen Stuttgart 21 gekämpft, die innerhalb Deutschlands den alternativen Verkehrsträger Bahn darstellen. Das ist nicht unehrlich, ich halte eine solche Einstellung auch für äusserst gefährlich.
Du sagst, Du fühlst dich durch die Initiativen nicht vertreten. Wen vertreten diese dann aus DeinerSicht?
Das wüsste ich auch gerne, aber es ist bei den Initiativen ein eisernes Schweigen ausgebrochen. Es gibt bei diesen Initiativen keine Wahlen, keine Abstimmungen, keine Meldungen. Es gibt keine Informationen über Strukturen und Finanzen. Letztlich haben die Initiativen im Umland von München von niemand eine Legitimation erhalten.
Ich komme deshalb zu dem Schluss, dass hinter aufgeMUCkt nicht die vorgetragenen ehrbaren Ziele wie Klima- und Vogelschutz stecken. aufgeMUCkt ist wohl eher eine Tarnorganisation, hinter der Konkurrenten des Münchner Flughafens und von Lufthansa stecken, die sich die Berufsaktivisten gekauft haben.
Was steckt hinter dem Bürgerentscheid
Was sind aus Deiner Sicht die Motive, die hinter dem Bürgerentscheid stehen?
Man muss hier zwei Gruppen unterscheiden. Die eine Gruppe sind die unmittelbaren Anrainer des Flughafens, die Menschen, die beispielsweise in Attaching und den anderen wenigen Orten in der Einflugschneise leben. Diese Menschen folgen einem natürlichen Reflex, den ich in einer selber Situation wohl auch hätte. Sie wollen ihr Dorf, ihr Haus nicht verlassen und sie wollen auch weiterhin im Garten sitzen. Es ist eine Form des egoistischen Denkens, die jeder nachvollziehen kann.
Dieser Gruppe geht es auch darum, möglichst eine hohe Abfindung von der Flughafen-Gesellschaft zu erhalten. Dies ist verständlich, müssen sie sich doch ein neues Lebensumfeld erschliessen. Und hier muss sicher auch noch einiges getan werden.
Die andere Gruppe sind die Berufsaktivisten, die aufgeMUCkt und „München gegen die 3. Startbahn“ repräsentieren und dominieren und die sehr stark von Bündnis 90 / Die Grünen dominiert wird. Diese geben vor, auch mich zu repräsentieren, ohne mich gefragt zu haben. Sie finden diese Personen immer dann, wenn es eine Bürgerinitiative zu gründen gilt, die gegen Infrastrukturmassnahmen – egal ob zu Land, See oder Luft – ist.
Ein Beispiel ist die Sprecherin von aufgeMUCkt, Helga Stieglmeier. Sie ist nicht nur bei aufgeMUCkt aktiv, sondern auch in der Initiative gegen den Bau der Autobahn im Isental und in der Anti-Olympia-Bewegung aktiv. Flughafen wie Isental sind mehr als 20 km weg von dem, wo sie wohnt – es ist eine klassische Berufsaktivisten, die sich aus dem Dagegen-Sein speist, aber eben keine eigenen Ideen einbringt, wie die Mobilität zukünftig gestaltet werden kann. Im Falle des Flughafens wohnt sie bereits nicht in der Einflugschneise und Flugzeuge, die über Erding hinwegfliegen, sind noch oder schon so hoch, dass sie nur in Ausnahmefällen noch hörbar sind.
Oder man denkt an die Sprecherin des Münchner Bündnisses, Katharina Schulze. Auch sie war bereits massgeblich an der Anti-Olympia-Bewegung beteiligt und hat nun ein neues Betätigungsfeld gesucht. Diesen Berufsaktivisten geht es nicht um die Menschen vor Ort, ihnen geht es um Ideologie und darum, Krawall zu machen. Auswüchse davon erlebt man regelmässig bei Atom-Transporten oder auch 2010 in Stuttgart.
Die neue grüne Abgeordnete Walter-Rosenheimer hat dies auf ihrer Homepage deutlich zum Ausdruck gebracht: „Ich setze mich dafür ein, dass unsinnige Großprojekte wie die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, die zweite S-Bahn-Röhre München, die Betonierung und Begradigung der Donau oder der Bau der A 94 durch das einzigartige Isental gestoppt werden. Täglich wird in Bayern eine Fläche in der Größe des Chiemsees verbaut und zubetoniert und damit auch Milliarden an Steuergeldern für die Zerstörung der Natur verschwendet.“ Man kann auch den Atlas aufschlagen und schauen, welche Infrastrukturmassnahmen gerade in der Planung sind – und wird genau diese Massnahmen finden. Man orientiert sich nicht an den Notwendigkeiten und sucht einen Ausgleich. Die Grünen sind pauschal gegen alles, was infrastrukturell notwendig ist.
Was sind aus Deiner Sicht die Motive dieser Berufsaktivisten?
Die Grünen haben in den letzten zehn Jahren eine sehr wechselhafte Entwicklung genommen und sind Mitte des ersten Jahrzehnts aus den meisten Landesregierungen rausgeflogen – gemeinsam mit der SPD. Sie sind in Wahlen abgesackt. Die Kadern, ich nenne dies bewusst so, kultivieren ein tiefgreifender Hass gegen die beiden bürgerlichen Parteien, die sie aus nahezu allen Stellungnahmen herauslesen können.
Sie haben aber noch ein anderes Problem: sie sind aus der Umwelt- und Antiatomkraftbewegung gekommen. Beide Themen sind faktisch nicht mehr präsent – Umwelt ist in allen Parteien verankert und die Atombewegung hat spätestens im letzten Jahr ihre Existenzberechtigung eingebüsst. In allen anderen Politikfeldern sind die Grünen die kleiner Ausgabe der SPD – staats- und verbotsverliebt. Die Infrastrukturmassnahmen bieten ihr die Gelegenheit, wieder Aufmerksamkeit zu erregen, da sie sonst befürchten unterzugehen.
Die Grünen haben aber noch ein anderes Problem: die Basis passt mit dem Führungskader nicht zusammen und beides zusammen weisen diamediale Gegensätze zur Wählerschaft auf. Die Wählerschaft ist nicht ideologisch, für diese ist es einfach hipp und modern, grün zu wählen. Sie verbinden mit den Grünen Bio-Läden und ÖPNV sowie ein Gutmenschentum, bei dem jeder vom Staat umsorgt wird – das staatszentrierte Wohltätigkeitsmodell. Es fehlt bei diesen Themen der Kitt zwischen Basis und Parteiführung, den die Anti-Bewegungen bieten und gleichzeitig den Wohlstand der Wähler nicht stören. Die Anti-Bewegungen sind laut und schaffen rasch öffentliche Aufmerksamkeit – sie sind so etwas wie das Ventil für überschüssige Energie.
Dies hängt auch damit zusammen, dass die Führungskader möglichst rasch an die Fleischtöpfe der Macht wollen, während die Parteibasis die Umsetzung der reinen linken Lehre sucht. Zwei Pole, die sich nur noch schwer vereinbaren lassen.
Ist die Vertretung grundsätzlicher Anliegen wie eine Verringerung des Flugverkehrs aus Deiner Sicht nicht legitim?
Die Vertretung solcher Anliegen ist legitim und sie gehört auch zu einer demokratischen Gesellschaft dazu. Es gibt jedoch mit diesen Berufsaktivisten zwei Probleme: sie argumentieren mit Anliegen, die nur Anlieger vertreten können und, was entscheidend ist, sie bieten keine Alternativen an. Die Entwicklung von Alternativen ist aber die Quintessenz des politischen Diskurs – hier reicht es aber bei den Grünen wie bei der Linkspartei gar nicht.
Ein Beispiel: Ich kann für eine Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs sein – ein Ziel, welches ich nachvollziehen kann. Nur muss dann ich eine Alternative für den wachsenden Mobilitätsbedarf anbieten und dahinter stehen, wenn beispielsweise Bahntrassen gebaut werden. Die Grünen, die aufgeMUCkt wie auch “München gegen die 3. Startbahn” tragen, stehen aber immer auch an vorderster Front, wenn es gegen den Bau einzelner Bahn-Trassen geht. Wie ich oben schon sagte: ob zu Land, Wasser oder Luft – die Grünen werden immer gegen jede Infrastrukturmassnahme zu Felde ziehen. Dies ist nicht nur unehrlich. Damit gefährden diese Berufsaktivisten auch die Entwicklung der hiesigen Gesellschaft.
Wie kam es dann zum Volksbegehren?
Die Grünen waren immer gegen die Flughafenerweiterung, dies muss man ihnen zugestehen. Sie haben sich aber zunächst an demokratische und rechtsstaatliche Verfahren gehalten.
Als sie jedoch in Stuttgart 2010 gesehen haben, dass man mit Krawallbewegungen auch vermeintliche bürgerliche Burgen schleifen kann, suchten die Grünen einen Weg, um eine ähnliche Bewegung auch in Bayern in Gang zu setzen. In Bayern war es ihnen zu mühsam – in München müssen weniger Unterschrift gesammelt werden. Die Stadt München gibt nun 1.2 Millionen Euro nur dafür aus, um eine grüne PR-Show zu finanzieren – an einer Stelle, wo es gar nichts zu entscheiden gibt. Mit Demokratie hat dies alles wenig zu tun.
Sind die Grünen keine Demokraten?
Die Grünen sind solange Demokraten, wie sie ihrer Ideologie Gehör verschaffen können. Sie versuchen aber alle gegensätzlichen Meinungen mundtot zu machen.
Im nächsten zweiten Teil des Interviews mit Tim Osten werden wir die Kommunikationsarbeit der beiden Seiten erörtern. Er scheint am Dienstag früh.
Die beiden Interviews im Volltext finden Sie unter der Rubrik “Im Interview“.
Redaktionshinweis:
Wir wollten an dieser Stelle mit dem Interview mit Katharina Schulze starten.
Sie hat jedoch gestern dem Medienservice Ochaka eine Email geschrieben, in der sie entgegen der Vereinbarung eine Veröffentlichung verhindern will. Wir sind gemeinsam mit dem Mediaservice Ochaka dabei, die Sachlage zu klären und werden deshalb die Veröffentlichung des Interviews mit Katharina Schulze bis morgen verschieben. Als Kommentar veröffentlichen wir eine Erklärung von Dag Burns.