Wie es mit der dritten Startbahn weitergeht

Von Tobias Dorfer

Soll der Münchner Flughafen erweitert werden? Darüber wird erbittert gestritten. Die Stadt München will nun die Bürger abstimmen lassen – und hat dafür ein Ratsbegehren initiiert. Doch wann wird nun abgestimmt? Wer darf seine Stimme abgeben? Und was wird nun aus dem Bürgerbegehren der Projektgegner? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Soll der Münchner Flughafen erweitert werden? Darüber wird seit Monaten erbittert gestritten. Die Gegner des Projekts haben ein Bürgerbegehren initiiert und sammeln dafür Unterschriften. Doch auch die Befürworter  wollen die Münchner Bürger abstimmen lassen. Dafür haben sie nun ihrerseits ein Ratsbegehren für den Bau der dritten Startbahn beschlossen. Doch wann wird nun abgestimmt? Wer darf seine Stimme abgeben? Und was wird nun aus dem Bürgerbegehren der Projektgegner? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was genau ist ein Ratsbegehren?

Ein Ratsbegehren gibt einer Kommune die Möglichkeit, Entscheidungen, für die sie selbst  verantwortlich sind, den Bürgern zu übertragen. In München haben sich die Stadtratsfraktionen von SPD, CSU und FDP, die für die dritte Startbahn sind, darauf verständigt. Mit dieser Abstimmung wollen sie sich die Zustimmung der Bürger zu dem Großprojekt bestätigen lassen.

Was hat das Ratsbegehren mit dem Bürgerbegehren der Startbahn-Gegner zu tun?

Zunächst einmal gar nichts. Das Bürgerbegehren des Aktionsbündnisses gegen den Flughafenausbau ist ein völlig legitimes Instrument der direkten Demokratie. Es erlaubt den Bürgern, direkt Einfluss auf Entscheidungen ihrer Stadt zu nehmen. Folgendermaßen läuft das Ganze ab: In Kommunen mit mehr als 500.000 Einwohnern müssen sich mindestens drei Prozent der Bürger für die Ziele der Initiatoren aussprechen. Dies geschieht mittels Unterschriftenlisten. In München sind somit 30.000 Unterschriften notwendig, um einen Bürgerentscheid über den Flughafenausbau zu erreichen. Da jedoch davon ausgegangen werden kann, dass manche doppelt unterschreiben und einige Nicht-Abstimmungsberchtigte teilnehmen, wollen die Startbahn-Gegner 34.000 Unterschriften sammeln, um einen gewissen Puffer zu haben.

Eine zeitliche Grenze, bis wann die Unterschriften eingereicht werden müssen, gibt es nicht. Etwa 27.000 Unterschriften hat das Bündnis bereits zusammen. Beim Bürgerentscheid reicht dann eine einfache Mehrheit. Er hat die Wirkung eines Stadtrats-Beschlusses. Allerdings ist der Entscheid nur dann gültig, wenn die Mehrheit mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Die Startbahn-Gegner bräuchten also nicht nur eine Mehrheit – in München müssen sich zudem mindestens 90.000 Stimmberechtigte gegen den Ausbau des Flughafens aussprechen.

Wann soll abgestimmt werden?

Voraussichtlich am 17. Juni 2012. Auf diesen Termin haben sich CSU und SPD mit den Startbahn-Gegnern geeinigt. An diesem Tag soll nicht nur deren Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellt werden, sondern auch das im Stadtrat beschlossene Ratsbegehren für die Flughafenerweiterung. Das Datum ist bewusst spät gewählt, damit die Startbahngegner genug Zeit zum Unterschriftensammeln haben.

Worüber wird dann konkret abgestimmt?

Weil Ratsbegehren und Bürgerentscheid an einem Tag stattfinden sollen, müssen drei Fragen beantwortet werden:

  •  die Frage der Ausbau-Befürworter (“Sind Sie dafür, dass die Stadt München in den zuständigen Gremien der Flughafen München GmbH – ohne sich an den Kosten zu beteiligen – dem Projekt einer dritten Start- und Landebahn am Flughafen München zustimmt?”)
  • die Frage der Ausbau-Gegner (“Stimmen Sie dafür, dass die Stadt alle Möglichkeiten nutzt, um den Bau zu verhindern?”) sowie
  • eine Stichfrage für den Fall, dass beide Fragen eine Mehrheit erhalten – was durchaus passieren kann.

Insgesamt geht es bei der Abstimmung darum, wie sich die Stadt München als Anteilseignerin des Flughafens verhält. In der Gesellschafterversammlung (die übrigen Anteilseigner sind der Freistaat Bayern und der Bund) muss die Entscheidung für den Startbahn-Bau einstimmig fallen. Stimmt die Stadt München mit “Nein” ist das Projekt gestorben.

Heißt ein “Nein” zum Flughafen-Ausbau automatisch, dass die Startbahn nicht gebaut wird?

Nicht zwingend. Denn wenn die Flughafen-Gegner das notwendige Quorum von zehn Prozent der Stimmberechtigten verfehlen, dann hilft ihnen auch die Mehrheit nichts. In diesem Fall ist die Stadt München nicht an den Beschluss gebunden. Dann wird voraussichtlich der Stadtrat eine Empfehlung an Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) abgeben, wie er bei der Gesellschafterversammlung des Airports stimmen soll. Im Stadtrat sitzen jedoch mehrheitlich die Befürworter des Ausbaus.

Wer darf an der Abstimmung im Juni teilnehmen?

Jeder wahlberechtigte Bürger aus München, der am Tag der Einreichung des Bürgerbegehrens mindestens 18 Jahre alt ist und seit mindestens drei Monaten den Wohnsitz in München hat.

Warum werden nur die Münchner gefragt?

Das liegt an dem Konstrukt der Anteilseigner des Flughafens. Dazu zählt neben dem Bund (26 Prozent) und dem Freistaat Bayern (51 Prozent) auch die Stadt München  (23 Prozent). Der Beschluss zum Bau der dritten Startbahn muss einstimmig fallen. Hier setzen die Gegner des Airport-Ausbaus an: Sie wollen erreichen, dass die Stadt München bei der Gesellschafterversammlung mit “Nein” stimmt. Damit wäre das Projekt gestorben. Die umliegenden Kommunen, etwa Freising und Berglern, sind zwar vom Fluglärm stärker betroffen als die Landeshauptstadt – sie besitzen jedoch keine Anteile an der Flughafengesellschaft.

Kann die Startbahn nur durch das Bürgerbegehren verhindert werden?

Nein. Die Erweiterung des Flughafens hängt auch vom Urteil der Gerichte ab. Aktuell liegen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) 20 Klagen gegen das Projekt vor – unter anderem von der Stadt Freising, dem Bund Naturschutz und verschiedenen Privatleuten. Die bayerische Staatsregierung hat auf Empfehlung des VGH beschlossen, erst mit dem Bau der vier Kilometer langen Betonpiste zu beginnen, wenn die Richter über diese Klagen entschieden haben. Rein rechtlich hätte der Flughafen bereits im vergangenen Sommer nach der Zustimmung der Regierung von Oberbayern bauen können.

Bedeutet ein Ja zum Startbahnbau automatisch, dass Christian Ude für die SPD als Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2013 antritt?

Klar ist, der OB von München hat seine Spitzenkandidatur mit einem Ja zum Flughafen-Ausbau verknüpft. Deshalb müsste die Bayern-SPD, die anders als die Münchner SPD, mehrheitlich gegen die dritte Startbahn ist, ihr im Juli 2009 beschlossenes Nein auf dem geplanten Landesparteitag revidieren, damit der Hoffnungsträger tatsächlich antritt.

 

Quelle: sueddeutsche.de 1. Februar 2012

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